Der Schrecken von Tsafelde

Der Rückweg

Wir können hier nicht anhalten! Das ist Gotongi-Land!“

– Firunian S. Toreson, Schreiber auf dem Weg nach Chorhop in Begleitung seines Advokaten –

2. Efferd 15 HAL, Albenhus

Die Nacht in einem echten Bett und das feine Mahl am Abend haben gute Arbeit geleistet. Heute Nacht blieb ich weitestgehend von Albträumen verschont.

Beim Frühstücken heute Morgen haben der Herr Ritter, die junge Heilerin und ich beschlossen, dass wir die nächsten Teile unseres Weges gemeinsam verbringen wollen. Eventuell werde ich so noch Zeuge von großen Heldentaten des Herrn Ritters Orasilaus um diese dann gebührend zu besingen. Zunächst wollen wir auf unserem Weg unsere Schritte zurückverfolgen, denn so manches, was wir auf unserer bisher erst kurzen gemeinsamen Reise erlebt haben, scheint uns doch eine genauere Betrachtung wert. Vor allem die Erinnerung an Orgils Hof liegen noch schwer auf unseren Gemütern.

Doch ersteinmal müssen wir auf Brunni und den Wagen warten, bevor wir uns erneut zu Orgils Hof aufmachen können um dort nach dem Rechten zu sehen.

3. Efferd 15 HAL, Kaldenberg

Nachdem Brunni am Morgen endlich eintraf, konnten wir unsere Reise schließlich fortsetzen, beziehungsweise zurückverfolgen. Der Gesichtsausdruck der Kutscherin, als wir ihr eröffneten, dass die Reise in die entgegengesetzte Richtung zurück verlaufen würde, war dabei unbezahlbar – auch wenn ich ihr zugute halten muss, dass sie nicht, wie von mir erwartet, in übelste Flüche verfiel.

Bei unserer Rast in Galgenfurt, wo wir den Großen Fluss überquerten, hielt ich ein Ohr bei der örtlichen Bevölkerung offen um vielleicht das ein oder andere Interessante aufzuschnappen. So kam mir zu Ohren, dass der hiesige Graf wohl wenig für den Schutz seiner Untertanen zu tun bereit ist. Dabei scheint es wohl genügen Bedarf an Schutz zu geben. Uneinigkeit herrscht jedoch darüber, woraus die Bedrohung zu bestehen scheint. Die einen sehen die Schuld bei dem Raubritter Riordan von Seshwick, während andere die Gefahr durch Orks, welche aus dem Norden eingefallen seien, sehen. Ob der Ausbau der Feste Weidleth durch den Burggrafen mit diesen Dingen in Verbindung steht, kann ich nur vermuten; passen würde es.

Allerdings scheinen diese Umstände dem Erfolg des Fischerfestes in Kaldenberg keinen Abbruch getan zu haben , denn noch immer wirkt die heitere Stimmung des Festes nach. Hier sind wir erneut im Haus ‚Grafenstedt‘ untergekommen, in dem wir bereits bei unserem ersten Aufenthalt nächtigten.

Eine Nacht voll Schrecken

4. Efferd 15 HAL, Tsafelde

Ich schreibe diese Zeilen in den frühen Morgenstunden und ohne viel von Borons Gnade des Schlafes erfahren zu haben, doch die hinter mir liegenden Ereignisse – besonders die der vergangenen Nacht – verlangen unverzüglich von mir festgehalten zu werden – zumal ich nach diesen Schrecken sowieso nicht in der Lage sein werde zu schlafen.

Doch will ich zunächst am Morgen beginnen. Schon kurz nach dem Aufwachen in Kaldenberg hörten wir vor dem Gasthof einen großen Menschenauflauf. Farah hat sich sofort den Menschen – Flüchtlingen mit Sack und Pack aus Tsafelden, wie sich später herausstellen sollte – zugewandt um nach deren Befinden zu erkundigen. Unter den Berichten über Flüchen, die auf Dörfern lasteten, Spukgestalten, Ungeheuern und Überfällen konnten wir und zu diesem Zeitpunkt – beinahe bin ich geneigt glücklicherweise zu sagen – noch nichts vorstellen.

Diese Worte zeigten uns jedoch, dass unser Entschluss, zurückzukehren und den Dingen auf den Grund zu gehen, der richtige war . Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es auch der weiseste war. Auf dem Weg Richtung Tsafelde kamen uns noch weitere Flüchtlinge entgegen. Diese berichteten vom seltsamen Verhalten und Verschwinden einiger Bewohner, merkwürdigen Geschehnissen auf dem Boronanger und wahlweise von Hexenumtrieben oder gar dem Namenlosen höchstselbst.

In Tsafelde selbst angekommen bot sich uns ein unheimliches Bild. Das halbe Dorf schien verlassen. Offene Türen, zurückgelassene Möbel, die es wohl nicht mehr auf die Wagen geschafft hatten, und umherirrende Hühner prägten die Gassen des Ortes. Da es bereits Abend wurde, machten sich die verbliebenen Einwohner – nicht ohne Grund, wie wir bald erfahren sollten – auf zum steinernen Tsatempel im Zentrum des Dorfes. Unser Weg führte uns jedoch erstmal zum Wirtshaus im Westen des Ortes, wo wir zu nächtigen gedachten.

Vor der Tür versperrten uns jedoch zwei „Wächter“, bewaffnet mit Axt und Mistgabel, den Eingang. Diese fragten recht wirsch nach unserem Begehr und untersuchten uns auf Biss- und Kratzspuren, bevor sie uns Einlass gewährten. Im Inneren bot sich uns ein erschreckendes Bild. In dem kleinen Schankraum hatten sich an die vier Dutzend Menschen eingefunden. Die Fenster waren vernagelt und zudem mit Bewaffneten besetzt – auch wenn es sich meist nur um improvisierte Waffen handelte. Bei den versammelten schien es sich vornehmlich um einfache Bauern zu handeln. Wer Mittel und Möglichkeit hatte, schien das Dorf schon verlassen zu haben.

Unverzüglich haben wir uns der Wirtin vorgestellt, die uns, nachdem sie uns Brei ausgegeben hatte, der in einem großen Topf in der Schankstube gekocht wurde, die Ereignisse der letzten Tage, die zum Auszug des halben Dorfes und der momentanen Situation geführt hatten, berichtete.

Alles habe mit einem offenen Grab begonnen, zwei Tage später wären es dann schon zwei weitere geöffnete Gräber gewesen. Dann hätten die ersten das Wesen gesehen – blasse Haut, lange Arme, große Augen, Krallen. Man hätte versucht das Wesen zu erschlagen, doch selbst zu dritt hätten die Mutigen keine Chance gehabt. Die Kämpfer seien zwar mit Kratz- und Bissspuren davon gekommen, doch kurz darauf seien sie erkrankt, hätten sich verändert, seien schließlich selbst zu diesen entstellten Wesen geworden und hätten ihre Familien angegriffen. Daher auch die Eingangskontrollen. Nach und nach hätten dann die ersten, welche am nächsten zum Boronanger lebten, das Dorf verlassen. Der Rest suche zumeist nun hier oder im Tsatempel, der zwar näher am Boronanger liegt, aber anscheinend unter dem Schutz der Jungen Göttin steht, Zuflucht.

Trotz des Angebots dreier Jünglinge uns zu begleiten, sollten wir uns den Kreaturen stellen wollen, beschlossen wir den nächsten Tag abzuwarten. Wir haben uns jedoch den Wachen an den Fenstern angeschlossen und ich habe – um den verängstigten Bewohnern ein wenig ihre Furcht zu nehmen – meine Harfe zur Hand genommen und eine kleine Weise aufgespielt. Dies schien den Leuten ein wenig Mut und Hoffnung zurückgegeben zu haben – vielleicht war dies jedoch auch dem Beerenschnaps zu verdanken, den die Wirtin während meines Spiels hervorgeholt hatte.

Zum ersten großen Schrecken kam es in dieser Nacht dann, als plötzlich ein Scharren an der Tür zu hören war. Zunächst konnten wir nicht erkennen, was da vor der Tür Einlass begehrte und erst eine aus der Guckklappe der Tür geworfene Fackel brachte das benötigte Licht um zu erkennen, dass es sich um einen Köter handelte. Das Tier schien jedoch tollwütig zu sein und wir hätten es besser auf der Stelle erschlagen, doch haben wir uns damit begnügt das Tier zu vertreiben.

Dann – etwas später in der Nacht – meldete der Ausguck an einem der oberen Fenster, dass sich zwei Wesen vom Boronanger ins Dorf bewegt hätten. Als dann kurz darauf Hilfeschreie aus dem Dorf zu uns herüberklangen, stürmte der mutige Ritter Orasilaus hilfbereit hinaus; Farah und ich hinterher.

An einem Haus unweit der Herberge trafen wir dann auf eines dieser Ungeheuer, welches schon mit einem Arm zum Fenster hineinlangte. Mit gerechtem Zorn drang der Herr Ritter sogleich auf das Ungeheuer ein und schleuderte ihm seinen Morgenstern in den Rücken. Mein Versuch dem Wesen zuzusetzen endete jedoch etwas weniger elegant mit mir auf dem Boden und so beschloss ich doch eher unseren Rücken zu decken – da draußen war ja schließlich noch ein weiteres dieser Geschöpfe.

Zwar kam kein weiteres Ungeheuer, aber der elende Köter, den wir zuvor vertrieben hatten, hatte es erneut auf uns abgesehen. Dem ersten Angriff konnte ich mit dem Schlag eines Besens, den ich aufgrund seines langen Stils meinem kurzen Dolch als Waffe vorzog, abwehren, aber dann fiel ich erneut im Dunkeln zu Boden und dem Biest gelang es mir in den Arm zu beißen. Zum Glück scheine ich mir nichts eingefangen zu haben.

In der Zwischenzeit konnten Orasilaus und Farah das Ungeheuer besiegen und halfen mir den Hund zu vertreiben. Da nun die unmittelbare Gefahr gebannt war, konnten wir uns um die Bewohnerin des Hauses kümmern, eine ältere Frau, die wohl mal Weberin war, weswegen es an an Verbandsmaterial für meine Verletzungen nicht mangelte. So konnte sich Farah – ein wenig zu enthusiastisch für meinen Geschmack – ihrem Handwerk widmen, während Orasilaus heldenhaft zum Tempel stürmte um diesem, falls nötig, zur Hilfe zu eilen.

Nachdem meine Bisswunde versorgt war und wir uns bei der Frau vergewissert hatten, dass es ihr an nichts fehlte, machten wir uns auf Orasilaus zu folgen. In einem Schweinestall in der Nähe des Tempels konnten wir schließlich Kampfgeräusche ausmachen. Orasilaus hatte das andere Ungheuer gestellt. Sofort sprangen wir dem Ritter zur Seite, Farah mit ihrem Kampfstab, ich mit meinem getreuen Besen. Kurze Zeit später schon wurde das Wesen vom Morgenstern des guten Herrn Ritters zertrümmert.

Auf dem Weg zurück zur Taverne haben wir noch die alte Frau aufgelesen und versuchen jetzt noch ein wenig zur Ruhe zu kommen.

Das rätslhafte Grab

5. Efferd 15 HAL, Tsafelde

Und wieder komme ich erst spät – oder besser früh – zum Schreiben. Die Nacht war zum Glück etwas ereignisloser. Am Tage haben wir zudem ein paar wichtige Hinweise erlangt. Doch zunächst von Anfang an.

Am Morgen machten wir mit den Bewohnern des Dorfes einen kleinen Rundgang um nach möglichen weiteren Gefahren Ausschau zu halten und die Spuren der nächtlichen Kämpfe zu betrachten. Die Kadaver der erschlagenen Ungeheuer wurden von den Dörflern verbrannt.

Im Dorf haben wir auch den Tsatempel aufgesucht und mit der jungen Tsageweihten gesprochen, die sichtlich überfordert war mit der momentanen Situation. Leider konnte sie uns zunächst auch nicht mehr sagen, als wir bereits in Erfahrung gebracht hatten. So beschlossen wir dem Ganzen auf dem Boronanger auf den Grund zu gehen. Dieser erschien uns dann bei Lichte doch eher groß für ein doch recht beschauliches Dorf wie Tsafelde. Das Zentrum, wie es uns schien, war wohl der älteste Teil der Anlage und hielt doch sehr alte Gräber bereit. Unsere späteren Nachforschungen deuteten in eine ähnliche Richtung, aber ich greife schon wieder voraus.

Auf dem Weg, den uns die Spuren der Ungeheuer aufzeigten und der uns ins Zentrum des Boronangers führte, wurden wir mehrerer geöffneter Gräber, zerbrochener Särge und sogar einiger angeknabberter Leichenteile ansichtig. Sehr grausig war der Anblick eines jungen Burschen, kaum älter als ich selbst, der anscheinend ebenfalls dem Grauen auf den Grund gehen wollte und dies mit seinem Leben bezahlte. Dem armen Burschen hatte eines der Ungeheuer die Schulter herrausgerissen und ihn an anderen Stellen auch angenagt.

Was auf dem Gelände jedoch auffällig fehlte waren Raben, die Boten Borons. Normalerweise sind diese Vögel ja auf jedem Boronanger heimisch, hier jedoch erfüllte kein Krächzen und kein Flügelschlag die Luft.

Unsere Suche nach weiteren Spuren wurde dann doch jäh unterbrochen, als Farah in ein Loch stürzte. Zum Glück hat sie sich bei dem Sturz nicht verletzt. Das Loch hingegen stellte sich als ein altes Grab heraus, was zunächst nicht sonderlich verwunderlich ist. Bei genauerer Betrachtung hatte dieses jedoch ein paar Besonderheiten vorzuweisen, die uns einen genaueren Blick darauf werfen ließen. Zum einen führte eine Treppe weiter hinab in die Tiefe und darüber hinaus war die Grabplatte uralt. So alt sogar, dass man aufgrund der Verwitterung der Schrift nicht mehr entziffern konnte, wer hier begraben lag. Außerdem schien sie mutwillig von jemandem geöffnet worden zu sein. Wir fanden an der Grabplatte Spuren und einen Rucksack mit einem Seil und benutzten Fackeln in der Nähe.

Unsere weiteren Nachforschungen führten uns wieder in den Tsatempel, wo uns gütigerweise Einblick in die Tempelbücher gewährt wurde. Mit Alteas Hilfe – das ist der Name der jungen Tsageweihten – konnten wir dann noch in Erfahrung bringen, dass es sich wohl um das älteste Grab des ganzen Boronangers handelt. Der Name desjenigen, der dort beigesetzt liegt, wurde jedoch getilgt und zudem eine Damnatusformel – wohl Bosparano für Verfluchung – über den Träger gesprochen. Das ungewöhnliche daran ist, dass dies gleich im Namen von drei Göttern geschah – Praios, Boron und Hesinde.

Da wir noch nicht genau wussten, was wir mit dieser Information anfangen sollten, und es schon Abend wurde, haben wir das Grab ersteinmal wieder mit der Grabplate verschlossen, wobei uns die Dorfbewohner halfen. Zur Überwachung des Boronangers haben wir uns für die Nacht in ein Haus direkt an dessen Rand zurückgezogen. Zudem haben wir in der Nähe des Grabes zusätzlich ein Kohlebecken aufgestellt um es genauer im Blick behalten zu können.

Diese Nacht konnte ich dann auch bis zu meiner Wache durchschlafen ohne geweckt zu werden. Bei der Wachübergabe hat Orasilaus mir jedoch von einigen ungewöhnlichen Beobachtungen erzählt. So sei ein grünlicher Nebel unter der Grabplatte hervorgewabert, der von einem dumpfen Leuchten begleitet wurde. Außerdem habe sich ein Ghul – jetzt fällt mir der Name diese Wesen wieder ein – erhoben, sei jedoch nur ein paar Gräber weiter wieder verschwunden. Was er dort gerade tut, will ich mir garnicht vorstellen.

Zum Glück war ich am Abend bereits so erschöpft, dass mir im Schlaf die Träume erspart geblieben sind. Nach den Schrecken des letzten Tages hätte ich wohl wieder die grausigsten Träume gehabt. So verbringe ich nun meine Wache damit diese Zeilen zu schreiben. Morgen wollen wir in das Grab hinab. Mögen Phex und Boron uns beistehen.

6. Efferd 15 HAL, Tsafelde

Heute haben wir uns dem Grauen der Gruft im Zentrum des Boronangers gestellt. Altea, die junge Tsageweihte, hat uns dabei begleitet und wir alle waren etwas beruhigter mit dem Wissen, ihren göttlichen Beistand auf unserer Seite zu haben. Zumal uns die Geweihte berichtete, dass sie in dem Grab unheiliges Wirken erspühren könne. Diese Kenntnis stärkte unsere Zuversicht nicht besonders und so betraten wir das Grabmal alle mit einem mulmigen Gefühl. Der Tapfere Ritter voraus, ich selbst, die Laterne haltend, als zweiter, dann Farah und, den Abschluss bildend, Altea.

Am Ende des Abstiegs trafen wir auf eine kleine Vorkammer, auf deren Boden grünlicher Nebel vor sich herwaberte, so wie der, den der gute Herr Ritter in der Nacht zuvor beobachtet hatte. An den Wänden waren links und rechts Nischen mit abgebrannten Kerzen und am Ende des Raumes befand sich eine offenstehende Tür, die in einen breiten Korridor führte. Auch hier war der grünliche Nebel zu sehen. Im Gegensatz zum Vorraum, dessen Wände ohne Schmuck waren, schmückten die Wände des Korridors einst wohl überaus kunstvolle Wandmalereien. Die Darstellungen zeigten zwei Heere – eines ein Heer aus ehrenvollen Rittern, das andere augenscheinlich mit Bestien und Untoten in seinen Reihen, beide, wie es aussah, unterstützt von Zauberern – die sich im Kampf gegenüber stehen. Bei den Kämpfen schienen die Bestien jedoch die Überhand über die Ritter zu gewinnen.

Während wir so darüber nachsinnten, was die Darstellungen zeigen sollten – Orasilaus und ich vermuteten, dass es sich um eine Schlacht aus den Magierkriegen handeln könnte -, meldete sich Farah zu Wort und berichtete, bei den Zwölfen schwörend, dass sich eine der Szenen bewegt habe und eine der abgebildeten Bestien einen Ritter erschlagen habe. Ein wenig ungläubig folgten wir ihren Worten, doch hatten wir keine Zeit uns dort viel länger aufzuhalten, denn unter dem Nebel hatten sich Ratten an uns herangepirscht und begannen uns in die Füße zu beißen.

Unfähig uns der Biester unter dem sie verdeckenden Nebel angemessen zu erwehren – mit dem Licht der Laterne ließen sie sich zumindest zeitweise vertreiben – machten wir uns uns schnell daran den Gang entlang zu eilen um dem Geheimnis des Grabes auf den Grund zu gehen und gleichzeitig unser Schuhwerk zu retten.

Am Ende des Korridors erreichten wir dann schließlich die eigentliche Grabkammer. In der Mitte des großen Raumes stand auf einem kleinen Podest ein schmuckvoll verzierter Sarkophag, aus dessen geöffneten Deckel ein steter Strom grünlichen Nebels hervorwaberte. An den drei übrigen Wänden fanden sich ebenfalls Sarkophage, jedoch von weitaus schlichterer Machart. Zudem waren diese Sarkophage verschlossen. Auch in der Grabkammer waren die Wände bemalt und zusätzlich, als hätte der Nebel noch nicht ausgereicht den Anblick der Gruft so unheimlich wie möglich zu machen, klang von den Wänden leiser Schlachtenlärm wieder und die Bilder an den Wänden bewegten sich hier tatsächlich. Dieses Mal konnten wir alle es sehen und es tat mir ein wenig Leid, dass ich Farah ihre frühere Beobachtung nicht geglaubt hatte.

Noch während wir uns in der Kammer umsahen, erreichten die Geräusche von schabendem Stein unsere Ohren und – nach kurzem Suchen – erkannten wir auch den Ursprung der Geräusche. Zwei der Sakrophage waren im Begriff sich zu öffnen. Schon lugten die ersten knöchernen Finger unter den deckeln hervor. Hier erhoben sich die Toten zu unheiligem Unleben um uns für unser Eindringen zu bestrafen.

Orasilaus erkannte schnell, dass es ein Fehler war statt seines Morgensterns nur sein Kurzschwert eingesteckt zu haben, und – die langsamen Bewegungen der sich aufrichtenden Skelette abschätzend und zu dem Entschluss kommend, dass die Zeit wohl noch reichen würde – machte sich, uns knapp seine Absicht mitteilend, auf den Weg diesen Fehler zu beheben. Farah und ich bezogen unterdessen mit unseren Kampfstäben am Eingang zur Grabkammer, schützend vor der jungen Geweihten Stellung. Leider erreichten uns die untoten Krieger, die sich da aus ihren Sarkophagen erhoben schneller als unser Herr Ritter, doch konnten wir unsere skelettierten Widersacher zum Glück lange genug mit unseren Stäben auf Abstand halten, bis Orasilaus, den Morgenstern schwingend, erschien.

Durch einen ersten beherzten Treffer Farahs erkannten wir dann auch recht früh im Kampf, dass unsere Untoten Kontrahenten nicht unbesiegbar waren. Also brachten wir sie durch gezielte Schläge auf die Beine zu Fall, wo Orasilaus Morgenstern ihnen den Rest geben konnte.

Doch gerade, als wir auch das zweite Skelett erschlagen hatten, da öffnete sich auch der dritte Sarkophag und heraus kam ein wahrer Riese von einem Krieger, welcher ein imposantes Zweihandschwert schwang. Doch nun hatten wir ja bereits Erfahrung im Überwinden solcher Feinde gesammelt und so war auch dieser Gegner bald nur noch ein zertrümmerter Haufen Knochen.

Dies wäre ja ansich der rechte Moment gewesen sich über den errungen Sieg zu freuen, doch noch während der als zertrümmerter Haufen Knochen zu Boden fiel, erkannte ich, dass sich die Überreste unserer beiden vorherigen Gegner wieder zusammen setzten.

So blieb uns keine Zeit, und während ich mich um die Überwachung des Raumes kümmerte, untersuchten Orasilaus und Farah den Sarkophag im Zentrum der Kammer. Darin lag, wie sich berichteten, ein Skelett, welches in einer Hand einen Stab hielt und um dessen Hals ein Amulett hing, welches wohl auch den Quell des Nebels darstellte. Altea bemerkte wohl, dass es sich bei den Schriftzeichen auf dem Amulett, welche keiner von uns so recht zu deuten wusste, möglicherweise um Dämonenschrift handeln könnte.

Als Farah dann nach dm Amulett griff, erwachte auch dieser Tote zu neuem Unleben und packte seinerseits nach Farahs Handgelenk. Geistesgegenwärtig zertrümmerte Orasilaus sogleich den Toten mit seinem Morgenstern. Zwar blieb die Hand noch immer um Farahs Handgelenk geschlossen und wollte sich auch nicht lösen lassen, doch konnten wir zumindest das Amulett aus dem Sarkophag entnehmen und diesen verschließen.

Farah, die verständlicherweise leicht panisch war, drängte uns nun jedoch so schnell wie möglich das Grabmal zu verlassen, wobei sich mit dieser Bitte bei uns offene Türen einstieß. Und während wir durch die bemalten Gänge dem Ausgang entgegenstürmten, veränderten sich die Wandgemälde, wenn wir mit dem Amulett an ihnen vorbeikamen.

Als wir endlich das Grabmal verlassen hatten, schreckten die vor dem Eingang wartenden Dorfbewohner vor uns zurück. Und noch immer waberte der Nebel aus dem Amulett hervor, so dass es mit einem Stück Stoff abdeckten und uns so schnell wie möglich auf den Weg zum Tsatempel machten.

Bereits an der Schwelle zum Tempel fiel die skelettierte Hand von Farahs Handgelenk ab und der Nebel, sowie das grünliche Glühen des Amuletts ließ in dem der Jungen Göttin geweihten Gebäude ebenfalls nach, beziehungsweise versiegten gänzlich.

Sowohl Orasilaus, als auch ich ließen sofort ein paar Münzen im Opferstock des Tempels verschwinden und Altea sprach in unser aller Namen ein Dankgebet an Tsa. Sofort informierten wir die restlichen Dorfbewohnern die sich bereits vor dem Tempel eingefunden hatten, über die Geschehnisse, wenn auch wir nicht alles haarklein wiedergaben. Erleichterung machte sich schnell in den Gesichtern der Zuhörer breit, aber auch die Sorge, ob der Spuk denn nun wirklich ein Ende genommen habe.

Nachdem wir so die Dorfbewohner informiert hatten, zogen wir uns mit Altea nochmals ins Innere des Tempels zurück um das weitere Vorgehen in Bezug auf das Amulett zu besprechen. Dass es sich um ein machtvolles und von schändlicher Magie durchzogenes Artefakt in die Hände einer der Kirchen oder gar direkt zerstört gehöre, war uns allen sofort klar. Und da es im Tempel augenscheinlich seiner Macht beraubt war, entschieden wir uns, es vorerst hier zu belassen. Altea verwies jedoch darauf, dass sie einen höhergestellten Boroni aus Gratenfels kenne, der wohl eher in der Lage wäre Auskunft über die Natur und die Gefahren des Amuletts zu erteilen und auch sich des entweihten Boronangers anzunehmen. Wir boten uns selbstredend an den Geweihten aufzusuchen und zu bitten nach Tsafelde zu kommen.

Dann blieb noch die Frage offen, was nun mit dem Grab geschehen sollte. Wir beschlossen, dass es das richtige und göttergefällige wäre, wenn wir das Grab wieder einigermaßen herrichten und verschließen würden. Bei dieser Aufgabe wollten und die Dorfbewohner – außer beim Verschließen – jedoch nicht unterstützen.

Schließlich, nachdem wir all das vollbracht hatten und ein wenig zur Ruhe gekommen waren, holte ich die Flasche Wein hervor, die ich in Albenhus erstanden hatte und teilte sie mit meinen Gefährten. Möge Boron mir einen seligen Schlaf gewähren.

7. Efferd 15 HAL, Tsafelde

Den heutigen Tag verbrachten wir hauptsächlich mit Aufbauarbeiten am Dorf. Denn nicht nur unter den Bewohnern, sonder auch an deren Bauten hatten die Kreaturen ihr zerstörerisches Werk vollbracht. Zudem war bei so manchem überhastetem Aufbruch nicht so sehr drauf geachtet worden, ob die alte Wohnstatt unbeschadet zurück blieb oder nicht.

Überall im Dorf feierte man uns als Helden, denn in der Nacht nach unserem Abstieg in das Grab hatte sich kein Ghul mehr vom Friedhof erhoben und so schien der Schrecken, der das Dorf heimgesucht hatte, endlich gebannt. So durfte ich auch den Kampfstab, den ich mir nach der ersten nächtlichen Begegnung mit den Ghulen, bei der sich mein Besen doch als eher ungeeignete Waffe herausgestellt hatte, geliehen hatte, behalten.

In der restlichen Zeit haben Farah und ich unsere Kampfkünste mit dem stabe unter dem gestrteengen Blick des Herrn Ritters Orasilaus geübt. Hoffentlich wird sich diese Mühe bei unserer nächsten Auseinandersetzung bezahlt machen. Auch wenn ich hoffe, dass diese noch lange auf sich warten lassen wird.

Nun muss ich jedoch aufhören zu schreiben, da man uns zu Ehren ein kleines Fest abzuhalten gedenkt.

Eine unerwartet grausige Reise

Aufbruch

Wir waren gerade irgendwo in der Nähe von El‘Halem, am Rande des Dschungels, als die Rauschgurke ihre Wirkung entfachte.“

– Firunian S. Toreson, Schreiber auf dem Weg nach Chorhop in Begleitung seines Advokaten -

28. Rondra 15 HAL, Herzogenfurt

Mein Schädel schmerzte wie die eisigen Feuer der Niederhöllen! Einen solchen Werwolf hatte ich schon lange nicht mehr. Und verschlafen hatte ich auch noch! Aber zu meinem Glück schien es nicht weiter schlimm, dass ich mich erst eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang und somit eine halbe Stunde zu spät vor dem Stadttor eingefunden hatte, wo man mir als Antwort auf meine geheuchelten und wenig glaubwürdigen Entschuldigungen versicherte, dass man sowieso noch auf einen weiteren Mitreisenden warten würde.

Meine beiden Retter waren beide schon da und zu meinem großen Glück konnte ich mir einen Platz an Bord der Kutsche des Herrn Ritter von Thuranien ergattern. Nach einiger Zeit traf dann auch der letzte Mitreisende ein – ein Geweihter des launigen Herrn Efferd.

So ging es dann auch los und unser Zug setzte sich in Bewegung. Ich zog mich bei dieser Gelegenheit in das Innere der Kutsche zurück um den fehlenden Schlaf der Nacht nachzuholen.

Nach der mittäglichen Rast, welche wir in Udenau verbrachten, begann ich aktiver gegen meinen Werwolf vorzugehen und versuchte mich mittels Harfenspiel von diesem abzulenken. So wurde ich schnell zum ‚Liebling‘ des Zuges und man nötigte mich geradezu in der Mitte des Zuges Platz zu nehmen, damit alle etwas von meinem Spiel hätten.

Nun ist es Abend und wir sind in Herzogenfurt angekommen.

Eine wenig hilfreiche Hand an der Furt

29. Rondra 15 HAL, Rieden

Der heutige Tag war von sehr aufwühlender Natur. Mir fällt es noch immer sehr schwer die Geschehnisse niederzuschreiben, doch es scheint mir meine Pflicht auch das unangenehme zu notieren. Vielleicht gelingt es mir so auch meine Nerven ein wenig zu beruhigen und das Gewicht des Unbehagens auf meiner Brust zu mindern.

Aber beginnen wir am Morgen. Wir brachen früh auf, denn der Herr Kupferfeld ist sehr auf seinen Zeitplan, der ja schon am Vortag etwas ins Wanken geriet, bedacht und wollte daher keine Zeit verlieren um die Furt zu passieren. Durch leichten Regen, war der Wasserstand zwar bereits ein wenig höher als normal, doch immernoch passierbar. Oder besser – sie wäre passierbar gewesen, wenn nicht ein Karren den Weg durch die Furt blockiert hätte. Das Gespann der Herren Borodur und Dorobur, beide Vertreter des Volkes der Zwerge, hatte sich im Fluss festgefahren und die beiden sahen sich aufgrund ihrer Körpergröße außerstande sich selbst aus dieser Lage zu befreien. So boten wir ihnen unsere Hilfe an. Und da begann dann auch die Reihe unerklärlicher und unheimlicher Ereignisse, die diesen Tag begleiten würden, denn der Wagen war, wie Farah so überraschend feststellen musste, nicht so sehr festgefahren, als dass er blockiert war. Doch hatte sich kein Ast in den Speichen verfangen, sondern ein abgetrenntes und allem Anschein nach angenagtes Bein. Sofort bereitete sich ein gewisses Unbehagen unter uns aus und sogleich riefen wir den Geweihten, Bruder Savio, hinzu, auf dass er zumindest dem Bein – den Rest der armen Seele konnten wir nicht mehr auffinden – den Grabsegen erteilen würde. Schnell war dann auch ein Grab für das Bein ausgehoben und mit Flusssteinen verziert. Aber das merkwürdige Gefühl, welches sich nach dem Fund bei mir eingestellt hatte, wollte sich nicht legen und wurde gar durch das Gefühl des Beobachtetwerdens verstärkt. Doch außer einem Biber, welcher der Grabzeremonie zuzuschauen schien und dessen Anblick mir immernoch leichte Schauer über den Rücken laufen lässt, konnte ich niemanden entdecken.

Kurz nach unserer Weiterfahrt erreichten wir dann auch den Grenzposten zur Provinz Nordmarken, denn mit der Durchquerung des Flusses hatten wir meine Heimat Albernia verlassen – etwas, das ich nun zum ersten Mal getan hatte und das mir doch ein kleines bisschen Wehmut bereitet hätte, wäre ich nicht noch von dem grausigen Fund, der ja noch recht frisch in meiner Erinnerung war, im Bann gehalten worden wäre.

Am Grenzposten wurden wir dann auch von einer kleinen Gruppe Gardisten überprüft und Herr Kupferfeld musste den Zoll entrichten. Zudem wurde uns noch eine Warnung übergeben und ein Steckbrief vorgezeigt. Der Raubritter Riordan von Seshwick, wegen Raubes, Wegelagerei und Landfriedensbruchs gesucht, würde in der Gegend sein Unwesen treiben. Auf seine Ergreifung war dann auch die enorme Summe von 150 Dukaten ausgesetzt!

Mit einem mulmigen – nunja, noch mulmigeren – Gefühl zogen wir dann auch weiter. Der gute Herr Ritter Orasilaus hatte dabei den Einfall den Wagenzug alle 10 Meilen die Aufstellung ändern zu lassen um mögliche Wegelagerer, die uns auflauern würden zu verwirren. Er selbst würde sich in einiger Entfernung hinter unserem Zug aufhalten um – wenn nötig – sofort eingreifen zu können. Dies erschien uns allen zwar ein wenig merkwürdig, doch der Herr Ritter ist schließlich ein Mann vom Fach und erfahren im Kriegshandwerk! Zu Herrn Kupferfelds bedauern kamen wir so jedoch etwas langsamer voran, als gedacht.

Orgils Hof

Zusammengenommen mit unserer verzögerten Weiterfahrt an der Furt kamen wir dann auch etwas verspätet an unserem für die Mittagsstunde geplanten Ort für die Rast an, einem kleinen Örtchen namens Rieden. Schon auf dem Weg dorthin berieten wir uns kurz mit Herrn Kupferfeld über das weitere Vorgehen, denn unseren für den Abend angestrebten Rastplatz würden wir aufgrund unserer Verspätung nun nur noch nach Einbruch der Nacht erreichen können, was uns aufgrund der Gefahr, die durch den Raubritter und sein Gefolge auszugehen schien, zu waghalsig vorkam. Herr Kupferfeld schlug dann vor einen kleinen Umweg zu machen, an Rieden vorbei zu ziehen und unseren Weg zu einem Freund namens Orgil zu lenken, der in der Nähe einen Hof hätte, wo wir für die Nacht unterkommen und eventuell sogar ein kleines Fest feiern könnten. Dies fand bei uns, auch im Anbetracht der Schrecken des morgens, großen Anklang, doch wussten wir auch noch nicht, was uns erwartete.

Der Herr Ritter Orasilaus ließ es sich unterdes nicht nehmen einen kleinen Abstecher nach Rieden zu machen um die beiden Zwerge, welchen wir am Morgen geholfen hatten, vor dem Raubritter zu warnen. So war er auch nicht zugegen, als wir von einer Hügelkuppe aus die verkohlten Überreste von Orgils Hof erblickten. Sogleich hielt unser Zug und nach kurzer Beratung mit Herrn Kupferfeld ritten Farah und ich mit Orasilaus Wagen und dessen Kutscherin Brunni zu dem Hof um die Lage dort zu erkunden.

Bereits am Tor der Umfriedung trafen wir auf den ersten Erschlagenen, den, wie sich später herausstellte, Knecht des Hofes, dem eine scheußliche Wunde im Rücken zierte. Den Bauern Orgil fanden wir dann erschlagen vor dem Haupthaus, von dem nur noch die Grundmauern standen. Bevor wir uns weiter umsahen, warteten wir noch auf den Herrn Ritter, denn auch wenn ich meinen Dolch und Farah ihren schweren Stab zur Hand hatte, so wären wir einem erfahrenen Angreifer – oder gar mehreren – wohl kaum gewachsen gewesen. Als Orasilaus schließlich eintraf begannen wir den Hof, auf dem überall noch Hühner herumliefen, genauer zu erkunden. Das Vieh hatte man offenkundig aus dem Gatter gestohlen und den mittleren Sohn des Bauern davor erschlagen und gepfählt. Den ältesten Sohn fanden wir mit zertrümmertem Schädel vor einem Nebengebäude in dem wohl das Werkzeug untergebracht war. Doch alles Werkzeug, welches in irgendeiner Form an eine Klinge erinnerte, schien zu fehlen. Außerdem hatte man das Schleifrad ins freie gezerrt, es dann jedoch zurückgelassen. Den Stall mit den Pferden hatte man jedoch weitestgehend in Ruhe gelassen, auch wenn die Tiere sehr verstört waren und wohl auch seit ein paar Tagen nicht mehr gefüttert wurden.

Als ich mir jedoch das Haupthaus – oder besser gesagt: das, was davon übrig war – genauer ansehen wollte, stieß ich auf den schrecklichsten Fund des Tage. Noch immer zittert meine Hand und mein Magen verkrampft sich, wenn ich an das Bild denke, welches sich mir dort offenbarte. So schrecklich war der Anblick, dass ich auf der Stelle meinen Mageninhalt verlor und zusammensackte. Dieser Anblick wird mich wohl noch lange in meinen Nächten heimsuchen. Hinter dem, was wohl einst eine Tür gewesen sein mag, fand ich nämlich den verkohlten Leichnam einer Person, die – zu allem Überfluss an Grausamkeit – eine weitere, kleinere, verkohlte menschliche Gestalt in Armen hielt. Der Anblick will mir nicht mehr aus dem Kopf und alles in mir sträubt sich dagegen dies hier niederzuschreiben, doch hoffe ich auf diese Weise meine Seele ein wenig zu erleichter und zu beruhigen.

Während man in Rieden nach Dörflern schickte um bei der Beisetzung der Leichen und der Durchsuchung des Hofes zu helfen, begannen Orasilaus, Farah und ich damit uns die Umgebung etwas genauer anzusehen; vor allem die Spuren im Schlamm. Einige der Spuren waren ohne Zweifel nichtmenschlicher Natur und so kamen uns auch Bilder von Orks und Ogern in den Sinn, zu denen auch die Art von Grausamkeit, derer wir dort ansichtig wurden, passen würde.

Ein Schrecken durchfuhr uns noch, als wir erfuhren, dass der jüngste Sohn des Bauern nicht unter den gefundenen Erschlagenen sei. Wir vermuteten ihn jedoch unter den Trümmern des Hauses, welche wir noch nicht genauer durchsuchen konnten. Die übrigen Leichen setzten wir dann mit Hilfe der Dörfler und dem Segen Bruder Savios unter einer Weide, unter der bereits die Frau des Bauern begraben lag, bei. Den Abend verbringen wir nun doch in Rieden. Aus dem erhofften Fest ist nun ein sehr beklemmender Abend geworden. Alle haben sich recht früh zurückgezogen und die Stimmung ist sehr bedrückt. Ich hoffe, dass ich wenigstens etwas Schlaf finden werde. Möge Boron der Seelen der Verstorbenen gnädig sein und auch mir seine Gnade des Schlafes anheim fallen lassen.

Eine Schiffsfahrt mit Widrigkeiten

30. Rondra 15 HAL, Dohlenfelde

Die Nacht war, wie erwartet, wenig erholsam. Zunächst wollte es mir nicht gelingen einzuschlafen und als dies dann doch gelungen war, kamen die Träume, in denen ich von angenagten Beinen, verkohlten Kinderleichen und Ogern verfolgt wurde. Und immer, wenn ich kurz davor war meinen Verfolgern zu entkommen kam ich an einen Biberdamm, der aus ausgerissenen Beinen errichtet wurde und der mir den Weg versperrte. So war das Licht des Praiosrundes, bei dessen ersten Strahlen ich mich sofort schweißgebadet von meinem Nachtlager erhob, ein zutiefst willkommener Anblick. Der Herr Kupferfeld war ob des Todes seines Freundes und dessen Familie, genau wie der Rest von uns, sichtlich betrübt, doch schlug in ihm auch das Herz eines Kaufmanns, sodass er sich entschloss weiterzuziehen und den Rest den Dörflern und dem hiesigen Vogt zu überlassen. Da er unser Brotherr ist, folgten wir ihm.

An diesem Tage, an dem allen der Schrecken von gestern noch ins Gesicht geschrieben stand, versuchte ich mit meinem Harfenspiel wenigstens ein wenig die Gemüter zu erhöhen. Ob und wie gut mir dies gelang, kann ich schlecht einschätzen. Den ganzen Tag über blieb der Trübsinn, trotz des aufgebesserten Wetters, wie eine Regenwolke über uns.

Unsere Mittagsrast verbrachten wir in Tsafelde, wo wir eigentlich schon am gestrigen Abend sein wollten. Dort hatte sich eine aufgebrachte Menge auf dem Dorfplatz versammelt und bedrängte den Dorfschulzen. Wie sich herausstellte sind in den letzten Monde Leichen vom Boronanger verschwunden und keiner kann sagen, wer oder was dafür verantwortlich ist. Anscheinend unternimmt der hiesige Graf auch wenig um diesen Dingen auf den Grund zu gehen. In was für eine Gegend sind wir hier nur geraten? Abgerissene Beine, Raubritter, marodierende Orks und jetzt auch noch Leichendiebe! Vielleicht sollte ich den Herrn Orasilaus bitten mir ein wenig Unterweisungen in Kampftechniken zu geben, damit ich mich im Falle eines Falles meiner Haut zu erwehren weiß.

Vor unserer Abfahrt gelang es mir noch mit Gesang und Harfenspiel ein paar Heller zu erlangen. Zumindest ist das einfache Volk hier großzügig! Die weitere Fahrt nach Dohlenfelde war erfrischend ereignislos und beim abendlichen Würfelspiel in der Taverne, bei dem die Stimmung schon wieder ein wenig gelöster war, konnte ich ebenfalls – mit etwas phex‘schem Beistand – meine Reisekasse aufbessern.

1. Efferd 15 HAL, Albenhus

Heute war der letzte Tag unserer Reise mit Herrn Kupferfeld, denn wir sind wie vereinbart in Albenhus angekommen. Und wieder kam unser Zug nicht zur Ruhe. Aber der Reihe nach! Wieder hatten Albträume mich in der Nacht in ihrem Griff, wenn sie auch ein wenig vermildert im Vergleich zur gestrigen Nacht waren. Doch schien ich nicht der einzige mit einer schlechten Nacht gewesen zu sein, denn Bruder Savio wirkte deutlich mitgenommener und übernächtigter als der Rest unserer Reisegruppe. Zunächst erschien es mir – und den anderen wahrscheinlich auch – so, als hätten die Geschehnisse der letzten Tage doch einen höheren Zoll von ihm verlangt, als uns allen aufgefallen wäre und so wollte auch keiner von uns auf ihn eindringen.

Die Reise verlief am Vormittag dann auch ohne größere Vorkommnisse und so langsam wich uns der Schrecken der letzten Tage weiter aus den Gliedern, hofften wir doch, unter dem strahlenden Antlitz Praios reisend, die Widrigkeiten der letzten Tage hinter uns gelassen zu haben.

So kamen wir dann auch gegen Mittag in Kaldenberg an, wo wir die Wagen verließen und mit dem Schiff weiterreisten. Während die Ladung auf das Schiff verladen wurde, blieb für Farah, den Ritter Orasilaus und mich Zeit das Örtchen zu erkunden, welches zu Ehren des Herrn Efferd, ähnlich meiner Heimatstadt, wenn auch in deutlich bescheidenerem Maße, ein kleines Fest veranstaltete. Auf einem kleinen Seitenarm des Flusses, der, wie ich erfahren konnte, Galebra genannt wird, veranstaltete man unter den Kindern des Ortes ein kleines Bootsrennen mit kleinen selbstgebastelten Booten aus Stroh und auf dem Dorfplatz gab es allerlei Buden mit Speisen und Trank, von denen besonders die gegrillten Forellen am Spieß in Erinnerung blieben. Zudem gab es noch so manche Belustigung für die Feiernden. So ließ ich dann auch meine Harfe erklingen und den Hut kreisen und siehe da! – 5 Heller und sogar eine Perle fanden ihren Weg hinein.

Einzig Bruder Savio habe ich auf dem Fest vermisst, was jedoch aufgrund seines morgendlichen Auftretens nicht allzu verwunderlich wirkte, vermutete ich zu diesem Zeitpunkt doch noch, dass er vermutlich krank sei oder sich zumindest eine Krankheit bei ihm anzubahnen begann.

Erst als sich Bruder Savio für die Weiterreise verspätete, begann ich mir Sorgen um ihn zu machen, zumal er beim Besteigen des Schiffes zu Zögern schien. Nunja, ich erlaube mir da normalerweise kein Urteil, habe ich es mit dem Wasser, besonders dem über hüfthohen, ja selber nicht so sehr. Für einen Efferdgeweihten erschien es mir jedoch ein wenig merkwürdig. Merkwürdig war auch, dass uns alle nach und nach eine gewisse Übelkeit überkam, die sich zwar wieder legte, aber auch vor Bruder Savio nicht halt zu machen schien.

Beim Einfahren auf den Großen Fluss wurde das Ganze dann jedoch richtig unheimlich. Zuerst ging ein großer Ruck durchs Schiff, als wären wir irgendwo aufgelaufen. Dann ließ der Wind nach, so dass die Manschaft an die Ruder musste und zu guter Letzt schlug auch noch eine Möwe auf dem Deck auf. Da uns all diese Dinge sehr sonderbar vorkamen fragten wir Bruder Savio um Rat, der jedoch nur auf den Zorn Efferds verwies, uns jedoch als von diesem ausgenommen erklärte.

Bei einer Beratung mit Herrn Kupferfeld und dem Kapitän beschlossen wir dennoch etwas gegen den göttlichen Zorn zu unternehmen und Efferd und den Flussvater eine Efferdsgabe in Form von Speisen und ein paar Stoffmustern zukommen zu lassen. Dies schien geholfen zu haben, denn kurz darauf nahm der Wind wieder zu, so dass das Rudern eingestellt werden konnte und am Abend erreichten wir dann auch endlich Albenhus ohne weitere Zwischenfälle.

Als wir im Hafen von Bord gingen entschuldigte sich Bruder Savio bei uns für die Unannehmlichkeiten, die wir möglicherweise ihm und seinem Zerwürfnis mit seinem launenhaften Gott zu verdanken hatten, und verabschiedete sich. Wir hingegen wurden von Herrn Kupferfeld ins „Rote Einhorn“ eingeladen, einem guten, bürgerlichen Wirtshaus, wo wir gemeinsam zu Abend speisten und für unsere Mühen auf der Reise ausgezahlt wurden.

Frühe Jugend

Zu Beginn dieser Aufzeichnungen mögen wohl ein paar Worte zu meiner Person nicht schaden. Mein Name ist Efferdwin Collen und ich stamme aus dem wohlgerühmten Orkendorf in Havenna. Dort wuchs ich als zweites Kind einer Schneiderfamilie auf, die sich eher schlecht als recht behaupten konnte. Anders als meine Schwester Tsaiane zeigte ich keine besondere Begabung, aber auch kein sonderliches Interesse für den Beruf meiner Eltern und verbrachte meine freie Zeit, so mir denn welche blieb, abseits der häuslichen Arbeit, lieber auf den Straßen des Viertels.

An einem der Tage, an denen ich mich vor der Arbeit in der Schneiderstube drücken konnte um mit den Kindern der Nachbarschaft Abenteuer in den Gassen unseres Viertels zu bestreiten, fanden wir uns an einem der Kanäle wieder, die unsere schöne Heimatstadt durchziehen. Es war ein angenehmer Rajahtag und ich muss so ungefähr sieben oder acht gewesen sein, da kamen wir au die Idee einen kleinen Wettstreit auszutragen. An einer Stelle des Kanals fanden wir nämlich eine sehr schmale Stelle – keine zwei Schritt breit – und wir wollten sehen, wer von uns hinüber springen könnnte. Ich ließ mich natürlich nicht lumpen und – nachdem Maire bereits gesprungen war und erfolgreich die andere Seite erreicht hatte – setzte ebenfalls zu der waghalsigen Aktion an. Leider glitt ich kurz vor dem Abprung aus und landete so statt auf der anderen Kanbalseite, mit dem Gesicht voran in genau ebenjenem Wasserlauf. Sofort war viel Trubel und Geschrei, sowohl von mir, als auch von meinen Freunden zu hören. Zu meinem großen Glück wurden so schnell auch Leute von der Straße auf uns aufmerksam.

Ein großgewachsener Thorwaler mit langen, zu Zöpfen geflochtenen Haaren und einem ebenfalls mit Zöpfen verzierten Bart kam heran und sprang, ohne zu zögern, zu mir in die Fluten und rettete mich so vor dem Ertrinken. Nachdem ich prustend und schluchzend wieder an Land war und auch mein Retter sich wieder an Land gezogen hatte, überreichte mir der Nordmann einen der vielen Anhänger, den er um den Hals trug – einen Walfisch aus Bein, der mich künftig vor weiteren solchen Ungeschicken bewahren sollte.

Zuhause angekommen bekam ich erstmal den Hosenboden für meine Leichtsinnigkeit versohlt.

Das Turnier zu Honingen

Vorgeschichte

9. Rondra 15 HAL, irgendwo im Albernischen

Unsere kleine Spielmannstruppe hat in einem kleinen Städtchen halt gemacht. Heute Abend wollen wir hier in einem Wirtshaus auftreten um unsere Reisekasse ein wenig auszubessern. Ludovigo, genannt „der Schöne“, hat mit dem hiesigen Wirt einen guten Handel ausgemacht. Wir bekommen freie Kost und freies Bier und dürfen den Hut kreisen lassen, solange wir dafür sorgen, dass die Kundschaft ebenfalls gut zuschlägt.

10. Rondra 15 HAL, irgendwo im Albernischen

Ich erinnere mich noch ziemlich gut an den gestrigen Abend. Zumindest solange, bis wir unser Spiel beendet hatten und die Gäste des Wirtshauses begonnen haben uns so manche Runde zukommen zu lassen. Nach dem vierten, mir aufgezwungenen Bier – man will ja nicht unhöflich sein – bricht dann jedoch irgendwann meine Erinnerung ab und kehrt nur in Fetzen zu mir zurück.

Erst ab dem nächsten Morgen habe ich wieder zusammenhängende Erinnerungen und diese beginnen damit, dass ich in einem mir unbekannten Bett, in einem mir unbekannten Zimmer, neben einer mir ebenfalls unbekannten Frau erwache. Schwummrige Erinnerungen an eine Leiter, eine Warnung vor einem beschützerhaften Bruder und einer mehr oder minder wilden Liebesnacht erwachten sogleich in meinem Geist. Leider erwachte mit ihnen ein unheimlicher Werwolf, der ebenfalls in meinem Kopf zu wüten schient. Da ich die Peinlichkeit einer neuerlichen Begegnung mit der mir nun wieder unbekannten Frau und noch mehr der erstmaligen Begegnung mit ihrem Bruder entgehen wollte, beschloss ich das Zimmer auf dem selben Wege zu verlassen, wie ich es betreten hatte. Das Fehlen einer Leiter machte dieses Unterfangen ungemein schwieriger, dennoch gelang mir der Abstieg aus dem zweiten Stock des Hauses, in Anbetracht meiner damaligen Verfassung, ziemlich gut. Gleiches lässt sich leider nicht über meine Rückkehr zu unserem Lager sagen, auf dem ich mich, trotz der geringen Größe der Ortschaft, mehrfach verlaufen habe.

Im Lager waren Thorulf und der Grüne Fiedler gerade dabei Speck zu braten und boten mir mit wissendem Grinsen sogleich ein deftiges Wolfsfrühstück an, welches ich dankbar annahm. In diesem Moment kam auch schon Ludovigo heran und hielt mir ein Flugblatt unter die Nase: „Markt & Turney zu Honingen – letzter Erd- und Markttag im Rondramond“. Jetzt heißt es sich mit rondrianischem Liedgut vertraut zu machen und die Instrumente zu ölen: In zwei Wochen werden wir in Honingen aufspielen!

[…]

Das Turnier

25. Rondra 15 HAL, Honingen

„Markt & Turney zu Honingen“, so war es uns verkündet und so kam es denn auch. Unsere Truppe kam gestern an und wir machten uns sofort daran bei den Turneyverantwortlichen vorzusprechen. Glücklicherweise gelang es uns die Erlaubnis zum Spielen in einem der Festzelte zu erhalten. Der Name „Gans und Rosen“ öffnet einem doch die ein oder andere Tür und es war ein Glücksfall, dass ich mich ihnen vor einigen Monden habe anschließen können.

Ich werde noch versuchen ein wenig vom Markt und den Turneywettkämpfen mitzubekommen. Außerdem wollen wir in der Stadt verteilt, jeder für sich, unsere Spielmannskunst dem Marktvolk zukommen lassen. Ich habe eigens für diesen Anlass eine Ballade über die Heilige Thalionmel von Brelak einstudiert.

Der Tag war erfolgreich! Die Besucher des Marktes, welche meiner Darbietung ansichtig – oder sollte ich sagen ‚anhörig‘ – wurden, waren von meinem Spiel und Gesang sehr angetan und so landete so manche Münze in meinem Hut. Das Treiben auf dem Markt war von der zu erwartenden Geschäftigkeit die solche Anlässe mit sich bringen. Und auch wenn dies für ein Städtchen wie Honingen gewiss beeindruckend sein mag, so habe ich in Havena schon so manch geschäftigeren Markttag erlebt.

Auf dem Turney ansich waren heute nur die Wettstreite, die auch den Gemeinen offen standen, zu bewundern. Zwar soll sich auch der ein oder andere Edelmann zu den Wettkämpfen gesellt haben, ich jedoch habe verzichtet mir diese anzusehen. Das morgige Turney will ich jedoch auf jeden Fall schauen, denn da werden die hohen Herren zu Pferde antreten!

26. Rondra 15 HAL, Honingen

Ich war heute die Turneywettkämpfe zu Pferde schauen. Einer der Ritter ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben. Leider weniger durch seine Turnierleistung, sondern da er es gewagt hatte das Apfelstechen mit einem Morgenstern zu versuchen. Und tatsächlich schaffte er es einen der drei aufgespießten Äpfel mit der Waffe zu erwischen, so dass der Apfel in alle Richtungen davonspritzte. Sonst zeugte sein Ritt – soweit es mir zusteht dies zu beurteilen – zwar von ausgesprochenem Können, der Rest seiner Darbietung lies jedoch leider zu wünschen übrig. Beim Tjostgang schied er dann auch sofort aus.

Der große Aufreger des Tages – wahrlich ein Skandal! – war jedoch der Betrugsversuch eines Ritters aus dem Greifenfurtschen, der beim Gehaue Hufeisen in seinem Strohsack zu verstecken versucht hatte. Wie man hörte soll er dies zum wiederholten Male versucht haben.

Am heutigen Abend sollen wir für die Feiernden im großen Festzelt neben der Turnierwiese aufspielen. Ein wenig Üben wird wohl nicht schaden.

27. Rondra 15 HAL, Honingen

Der gestrige Abend bot gleich mehrere unerwartete Wendungen auf! Doch der Reihe nach. Zunächst war alles wie man es sich vorstellt: Die Stimmung im Zelt war gut. Der Gewinner des Turniers, ein Adliger aus gräflichem Hause, ein gewisser Rodwick von Abagund, hatte mehrere Fässer Freibier für die Feiernden bereitgestellt und die restlichen Spielleute und Gaukler hatten ihre Arbeit gut gemacht und das Feiervolk mit ihren Darbietungen bereits in gute Feierlaune versetzt. So war es denn auch ein leichtes für uns die gute Stimmung weiterzuführen.

Als ich jedoch gerade dabei war unbegleitet die „Ballade vom Barden im Wald“ zum Besten zu geben, da packte mich ein großer Kerl aus dem Publikum am Kragen und schleuderte mich auf einen der vor der Sängerbühne aufgestellten Tische. Im Reflex gelang es mir glücklicherweise meine getreue Harfe in Sicherheit zu bringen – was mir und meinem immernoch schmerzenden Rücken, mit dem ich mit einiger Härte auf dem Tisch aufschlug, in diesem Moment leider von geringem Nutzen war. Bier und Speisen verteilten sich sowohl auf mich, als auch auf die umsitzenden Feiernden. Der Hühne – ich würde sagen, dass er deutlich über zwei Schritt in die Höhe ragte – ließ jedoch nicht von mir ab und versuchte, irgendwas von einer entehrten Schwester lallend, mit einem Weinkrug nach mir zu schlagen.

Zu meiner Rettung kam mir jedoch ausgerechnet jener Ritter, der mir bereits am Vortag aufgefallen war und auf dessen Tisch mich der Wüterich nun geschleudert hatte. Der gute Herr Ritter, der sich mir später als Orasilaus Sapertyn von Thuranien vorstellte, hielt den Unhold jedenfalls lange genug von mir ab, dass mich die junge Dame Farah, welche sich als Heilerin und bereits mit dem Herrn Ritter bekannt herausstellte, vom Tisch erretten konnte. Als ich dann meinen ersten Schrecken überwunden hatte und vor allem die Beweggründe meines aufgebrachten Gegenübers zu verstehen begann, gelang es mir mit meiner redegewandten Zunge schnell den Wütenden zu überzeugen, wie Leid mir doch alles tue und dass es sich um ein Missverständnis handeln müsse, das man bestimmt bei einem Bier beilegen könne.

Zwar hatte ich keine Ahnung, weswegen genau der Mann so aufgebracht war und von welcher Schwester er geredet hat, aber meine Worte entfalteten die gewünschte Wirkung und so zog er denn auch mit einem frischen Bier grummelnd von dannen, während ich mir Sauerkraut und Bratenreste vom Umhang pflückte.

Meine Retter habe ich freilich ebenfalls zu einem Getränk eingeladen und daraufhin einen angenehmen Abend mit ihnen im Gespräch verbracht. Die Ballade zu vollenden habe ich über den ganzen Trubel dann gänzlich vergessen. Meine Kumpanen haben ihren Auftritt jedoch auch ohne mein Zutun recht erfolgreich beendet.

Das sonderbarste, naja vielleicht doch eher das zweitsonderbarste, des Abends war jedoch, als sich zu später Stunde ein wohlhabend aussehender, jedoch leicht nervös wirkender Mann zu uns gesellte. Er stellte sich als Eboreus Kupferfeld vor und bot uns dreien an, dass wir ihn auf seinem Wagenzug begleiten sollten. Und dafür sogar bezahlt würden! Ich werde noch heute mit Ludovigo darüber reden.

Auch wenn er es als Schade empfindet respektiert Ludovigo meine Entscheidung mit Eboreus Wagenzug zu gehen. Er deutete auch etwas von einer Abschiedsfeier für mich an, die heute Abend zu meinen Ehen gehalten werden soll. Ich werde den Rest des Tages nutzen den hiesigen Tempeln der gütigen Mutter Travia und ihrer etwas lebensfroheren Schwester Rahja meine Aufwartung zu machen.

Ich war nochmal bei Eboreus, der im „Honigtopf“ abgestiegen ist, um mit ihm über weitere Einzelheiten unserer Übereinkunft zu reden. Er will mir tatsächlich 3 Silbertaler am Tag geben, dass ich mit ihm reise! Naja, vermutlich soll ich schon ein wenig mein Geschick mit der Harfe beweisen, aber dennoch!Absatz

Die reichen Spenden in den beiden Tempeln scheinen sich gelohnt zu haben!